Energiegemeinschaften als Zukunftsmodell

Eine Zeitenwende? Verbraucherinnen und Verbraucher elektrischer Energie schließen sich zusammen und produzieren ihren eigenen Strom. Werden die – lokalen und dezentralen – Energiegemeinschaften zum Schlüsselelement einer klimafreundlichen Energieversorgung und wie kann es den neuen „Prosumern“ gelingen, ihre Stromrechnungen spürbar zu senken?

Die Rechtsgrundlagen: 2019 hat die Europäische Union ihr energiepolitisches Regelwerk aktualisiert, um eine nachhaltige Energiewende zu ermöglichen. Die wichtigsten Dokumente dieses Clean Energy Package for all Europeans (CEP) sind die Renewable Energy Directive (RED II) über die Förderung und den Ausbau erneuerbarer Energie und die Electricity Market Directice (EMD) über die Gestaltung des Energie-Binnenmarkts. Die beiden Richtlinien formulieren Rahmenbedingungen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften und Bürger-Energiegemeinschaften. Im Artikel 22 der RED II heißt es: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass sich Endkunden und insbesondere Haushalte, unter Beibehaltung ihrer Rechte oder Pflichten als Endkunden, an einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft beteiligen dürfen, ohne ungerechtfertigten oder diskriminierenden Bedingungen oder Verfahren unterworfen zu sein“.

Die Umsetzung dieser Richtlinie begann in Italien im März 2020 und soll – nach der Verabschiedung des gesetzvertretenden Dekrets zur Umsetzung der RED II im November 2021 (199/2021) im italienischen Parlament – im September mit den entsprechenden Umsetzungsbestimmungen der Regulierungsbehörde ARERA abgeschlossen sein. Die Energiegemeinschaft kann sich im Gründungsakt für eine Rechtsform ihrer Wahl entscheiden – die attraktivsten Varianten dürften in diesem Fall der Verein oder die Genossenschaft sein.

Energiegemeinschaften nutzen erneuerbare Energie für eine nachhaltige, lokale und „grüne“ Erzeugung von Strom. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Die Energiegemeinschaft wird von ihren Anteilseignern oder Mitgliedern geführt und kann nicht nur Anlagen zur Stromproduktion errichten, sondern, neben der Erzeugung, dem Verbrauch, der Verteilung und der Speicherung von elektrischer Energie – auch Dienste zur Energieeffizienz und Energiedienstleistungen (wie die Bereitstellung von Ladesäulen für E- Autos) anbieten. Mitglieder oder Anteilseigner einer Energiegemeinschaft können natürliche Personen wie die Eigentümer von Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Gebietskörperschaften und öffentliche Verwaltungen sein. Bei privaten Unternehmen darf die Beteiligung an der Energiegemeinschaft allerdings nicht die wichtigste kommerzielle und/oder industrielle Tätigkeit sein.

Um Strom produzieren zu können, muss die Energiegemeinschaft eine eigene Erzeugungsanlage (wie etwa PV-Module auf dem Dach des eigenen Wohnhauses, oder eine PV-Anlage auf einer Wiese) errichten und betreiben. Die vorgegebene Leistungsgrenze liegt hier bei einem Megawatt. Zudem müssen alle Mitglieder der Energiegemeinschaft am selben Umspannwerk angeschlossen sein. Damit können sich auch Eigentümer mehrerer entfernt voneinander liegender Gebäude in einer Energiegemeinschaft zusammenschließen. Diese kann auch bereits bestehende Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie nutzen – wenn deren Leistung die Schwelle von 30 Prozent der neu installierten Leistung nicht übersteigt.

Die Mitglieder der Energiegemeinschaft beziehen den von ihnen verbrauchtem Strom weiterhin aus dem Netz und erhalten weiterhin die Stromrechnung des von ihnen gewählten Lieferanten. Der gemeinsam produzierte Strom wird wiederum in das Netz eingespeist. In diesem Verfahren sind für die Energiegemeinschaft drei Einnahmequellen vorgesehen: Für den – virtuell berechneten – Eigenverbrauchsanteil an der gemeinsam erzeugten elektrischen Energie zahlt das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung MI.S.E.einen Förderbetrag in Höhe von 110 Euro pro Megawattstunde. Für den Überschussstrom erhält die Energiegemeinschaft eine vom GSE (Gestore Servizi Energetici) ausgezahlte Standardvergütung. Dazu kommt die Rückerstattung von Systemgebühren. Das heißt: Je höher der Anteil des selbst verbrauchten Stroms ist, desto größer sind die wirtschaftlichen Vorteile für die Energiegemeinschaft.